2. IPA KONFERENZ | 24.06.2020 | ONLINE
Bericht zur 2. IPA Konferenz
Integrierte Projektabwicklung, Mehrparteienverträge und Fokussierung auf das Projektergebnis stehen seit einiger Zeit im Interesse zahlreicher Baubeteiligter. Auf der 2. Konferenz Integrierte Projektabwicklung mit Mehrparteienverträgen vom 24. Juni 2020 wurden diese Themen in elf Fachvorträgen und Podiumsdiskussionen erörtert und diskutiert. Hierbei standen die Neuerungen im Vergleich zur Vorjahresveranstaltung im Mittelpunkt und es wurden einige deutsche und internationale Pilotprojekte vorgestellt.
Die Konferenz fand den aktuellen Umständen entsprechend als Web-Konferenz mit Livestream statt. Über 200 Teilnehmer verfolgten die Live Übertragung über eine eigens gestaltete Event-Webpage und beteiligten sich rege über interaktive Fragen und Umfragen.
Einleitend begrüßten der Vorstandsvorsitzende des GLCI Prof. Dr. Shervin Haghsheno und der Geschäftsführer des GLCI Thomas Bär das Fachpublikum. Sie betonten die grundlegende Bedeutung der Zusammenarbeit und den Nutzen von IPA bei komplexen Bauprojekten.
Nach dieser Einführung eröffnete Dr. Olaf Bergen von der Hamburg Port Authority (HPA) die Veranstaltung mit einem Bericht über ein IPA-Pilotprojekt aus Hamburg. Das Projekt „Effizienzsteigerung Verkehrsband Kattwykdamm“ wird durch eine Integrierte Projektallianz (IPA) für einen öffentlichen Bauherrn durchgeführt. Es handelt sich um eine Reaktion auf suboptimale Projektabwicklungen im herkömmlichen Sinne. Nach Ansicht des Vortragenden solle der Fokus bei Großprojekten auf kooperativem Planen und Arbeiten als Team liegen. Es müsse klare vertragliche Regeln zur Zusammenarbeit geben. Hierfür stellte er die Frage nach dem gemeinsamen Ziel der Beteiligten.
Anschließend stellten Martii Nurminen und Tuomo Lindstedt ein Projekt des größten finnischen Flughafenbetreibers Finavia vor. Anhand des Beispiels einer Erweiterung des Helsinki Airports mit einem dreistelligen Millionenbudget wurde die Entscheidung für einen Alliancing Contract erläutert. Vor allem Flexibilität und Lean-Methoden gaben den Ausschlag, auch das europäische und das finnische Vergaberecht standen der Vertragsform nicht entgegen. Die Referenten betonten die Vorteile eines einzelnen Mehrparteienvertrags gegenüber zahlreichen Einzelverträgen und erwähnten insbesondere die rechtliche Klarheit.
Es folgte ein Vortrag von David Philipp (ECE Projektmanagement) über das Projekt Kongresshotel HafenCity Hamburg mit Kongresszentrum. Dieses IPA-Projekt eines privaten Auftraggebers wird mit einem Mehrparteienvertrag abgewickelt und dient als Pilotprojekt. Entscheidend sei nach Philipp, dass einstimmige und partnerschaftliche Entscheidungen getroffen werden. Dafür werden Management-Teams unter Einschluss jedes Beteiligen eingerichtet. Es sei zudem ein Umdenken erforderlich, um Teambuilding zu bestärken. Auch die Relevanz der Abwicklungskultur und externem Coaching wurde betont. Durch interdisziplinäre Teams sei es möglich, Auftraggeberziele kreativ und kosteneffizient umzusetzen. Dafür sei Kooperation entscheidend und als messbares Projektziel ausgestaltet („Kooperationsbarometer“).
Diese einleitenden Vorträge wurden ergänzt durch eine Podiumsdiskussion unter der Leitung von Prof. Patrick Schwerdtner. Die Teilnehmer Paul Oschatz (Lindner AG), Stefan Kaufmann (Züblin Spezialtiefbau GmbH), Kordula Nölle (gmp Architekten), Christian Nasner-Plantholz (Apleona Wolfferts GmbH), Thomas Schlösser (ZWP Ingenieur-AG) und David Philipp (ECE Projektmanagement) diskutieren über die Neuerungen und Vorteile von IPA. Gegenseitiges Verständnis und Zusammenarbeit der Gewerke wurde als hilfreich und innovativ empfunden. Dabei sei ein gemeinsames Projektziel entscheidend für gelungene Kooperation. Umgewöhnen müsse man sich, wenn man sich bei Diskussionen auch mal zurücknehmen muss, um Einstimmigkeit zu erreichen. Es gäbe aber auch im IPA-Projekt Kompromisse. Einigkeit bestand insofern, dass Kommunikation und menschliches Miteinander der Schlüssel für eine gelungene Projektabwicklung seien. Diese Aspekte könnten auch in traditionellen Projekten genutzt werden.
Markus Lentzler (ECE Projektmanagement) schilderte hiernach in einem Kurzvortrag die wichtigsten Eckpunkte des IPA-Zentrums. Dieses dient der Entwicklung von Modellen, Leitfäden und Vertragsmustern bzgl. IPA. Das Ziel des Kompetenzzentrums sei der Austausch und die Entwicklung eines deutschen Abwicklungsmodells. Dieses biete die Basis für die Entwicklung eines konkreten Vertrags. Im IPA-Zentrum wirken viele Teilnehmer in verschiedenen Arbeitsgruppen unter Leitung eines Organisationsteams zusammen und werden wissenschaftlich, baubetrieblich und juristisch begleitet.
Nach der Mittagspause beleuchtete Prof. Stefan Leupertz rechtliche Fragestellungen bei der Anwendung von IPA mit Mehrparteienverträgen. Zunächst betonte der Bundesrichter a.D., dass das Recht als Organisationsstruktur insgesamt zurücktreten müsse. An seine Stelle trete bei IPA die Organisation bzw. das Management des Projekts. Besonderheit aller neuen Verträge sei aber die Verwendung eines Mehrparteienvertrags. Der Vortragende betonte das Vorliegen eines Vertrags sui generis, insbesondere läge weder Werkvertrag noch Gesellschaft vor, da von bekannten Verträgen wesentlich abgewichen werde. Anschließend folgten Erläuterung der Grundlagen der Preis- und Entscheidungsfindung. Einstimmigkeit in zentralen Projektfragen sei dabei conditio sine qua non. Die Mängelhaftung könne durch Haftungsbeschränkung und Projektversicherung entschlackt werden. In einem Ausblick resümierte Leupertz, dass IPA rechtlich anders angegangen werden müsse, aber keinen tiefgreifenden Bedenken begegne.
Es folgte eine Podiumsdiskussion, in welcher Prof. Stefan Leupertz mit einer hochkarätig besetzten Runde rechtliche Grundfragen zu IPA beleuchtete. Zunächst wurde festgestellt, dass Kultur sehr wichtig sei, aber nicht den Vertrag ersetzen könne. Dieser gäbe die Leitlinien für die Kultur erst vor. Projektversicherer stünden IPA hingegen sehr positiv gegenüber, da Schadensrisiken verringert werden können. Auch das Vergaberecht stünde nicht entgegen, da eine Fokussierung auf Kriterien abgesehen vom Preis, welche auch von der Planervergabe bekannt sind, möglich sei. Einigkeit bestand darüber, Streit durch die Auflösung von Interessengegensätzen reduziert werden könnte („IPA erleichtert es, vernünftig zu sein“). Am wichtigsten sei es dabei, den Zielpreis gerecht und angemessen festzulegen. Uneinig waren sich die Teilnehmer jedoch über den angemessenen Umfang der neuen Mehrparteienverträge.
Anschließend erläuterte Mike Staun (Procter & Gamble / Lean Construction Institute (LCI)) aus amerikanischer Sicht und für den deutschen Markt die Lean-Prinzipien. Der Fokus müsse auf Wertschöpfung statt Wertverlust liegen, um insbesondere Verschwendung am Bau zu beseitigen. Staun betonte die Bedeutung der Lean-Philosophie für eine bessere Zusammenarbeit. Dies sei nur durch Vertrauen und Vertrauenswürdigkeit möglich („alle sitzen in einem Boot“). Wertschöpfung erfordere dafür anderes Verhalten und andere Verträge als in traditionellen Projekten. Die Quelle für Mehrwert liege darin, Planung und Bau zu gleich zu verbessern. Dafür sei es erforderlich, beides gemeinsam von Anfang an betrachten. Als Handlungsbeispiel führte der Vortragende Lean-Methoden, Benchmarking und Transparenz an. Hierdurch müsse das Team gemeinsam im konkreten Projekt herausfinden, wie die Kosten gesenkt werden können. Nur hierdurch steige letztlich der Gewinn für alle Beteiligten.
In einer kurzen Videobotschaft richtete anschließend Howard Ashcraft ein Grußwort an das Fachpublikum und berichtete vom IPA-Leitfaden, welcher nun auch übersetzt in deutscher Sprache verfügbar ist.
Zum Schluss der Veranstaltung leitete Prof. Dr. Shervin Haghsheno eine Podiumsdiskussion samt mehrerer Projektvorstellungen der Teilnehmer Oliver Bartz (Arcadis Germany GmbH), Luca Bauernfeind (Kauri CAB Group), Andreas Salge (Bayer AG) und Dr. Matthias Jacob (Implenia Gruppe). Diese berichteten aus der Praxis und gaben Beispiele für die Sicht von Praktikern und Bauherren auf IPA-Projekte. Zunächst wurde das Projekt Carossa Quartier Berlin vorgestellt. Dieses besteht aus vier IPD-Projekten, welche gemeinsam ein großes IPD-Projekt begründen. Dr. Matthias Jacob erläuterte daraufhin die Strategie „Implenia 2027“, welche die Umsetzung von IPD/IPA und Lean Construction Management bei konkreten Projekten zum Ziel hat. Schließlich wurde das Pilotprojekt SOL-1/Solida Launch Center der Bayer AG vorgestellt und bemerkt, dass die Bedeutung der Projektkultur im Gegensatz zum Claim Management oft stark unterschätzt wird. Die Teilnehmer betonten, dass die Kommunikation der Projektbeteiligten über den Projekterfolg entscheidet und die Baubranche sich ändern muss, um das volle Potential von IPA zu nutzen. Der Unterschied von IPA zum Partnering sei dabei, dass ein vollständiges Teamgefühl und Kooperation entstehe. Alle Teilnehmer waren sich zum Schluss einig, dass Kooperation von allen Beteiligten ehrlich versucht werden müsse. IPA sei keine Eintagsfliege, sondern könne in Zukunft für Projekte unter Termindruck oder mit großer Komplexität dauerhaft neue Impulse setzen.
Zum Abschluss der Konferenz resümierten Markus Lentzler, Prof. Stefan Leupertz und Prof. Dr. Shervin Haghsheno die wichtigsten Erkenntnisse des Tages. Die Vortragenden gingen zuerst auf das hohe Interesse an IPA in ganz Deutschland ein. Der vielerorts beschworene Kulturwandel könne durch Schulungen und den „Brandbeschleuniger“ BIM extrem vorangebracht werden. Dies gelte insbesondere, da IPA mittlerweile in den Köpfen der Baubeteiligten angekommen und landesweit in der Diskussion sei. Das Recht ermögliche zudem ökonomisch sinnvolle Prozesse bei IPA, behindere sie aber nicht mehr. Leupertz betonte daneben auch die gesellschaftspolitische Dimension einer Fehlerkultur am Bau. Einig war man sich, dass die Entwicklung von IPA erst am Anfang stehe und viele Chancen biete.
Gemeinsame Veranstalter der Konferenz waren das German Lean Construction Institute (www.glci.de), das IPA-Zentrum (www.ipa-zentrum.de) und der Deutsche Baugerichtstag e.V. (www.baugerichtstag.de). Alle drei Organisationen werden sich weiterhin für die Förderung und Verbreitung dieses innovativen Projektabwicklungsmodells einsetzen. Über weitere Aktivitäten können sich Interessierte über die Internetseiten der drei Veranstalter informieren.
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German Lean Construction Institute – GLCI e.V.